Wenn wir mit dem Pferd Reiten
Die reiterliche Nutzung stellt an den gesamten Bewegungsapparat unserer Pferde hohe Anforderungen. Ihr Körper ist gar nicht für das Tragen von Lasten konzipiert. Dementsprechend ist es die Pflicht jedes Reiters, sicherzustellen, dass dem Tier durch das Reiten keine Schmerzen oder sogar irreversible Schäden zugefügt werden. Kenntnisse über Anatomie, Biomechanik und Verhalten des Pferdes sind dafür obligatorisch, um Anzeichen für Erkrankungen wahrnehmen zu können. Pferde, die unter akuten Lahmheiten leiden, sollten nicht mehr geritten werden. Dafür muss man sie aber erstmal erkennen, und zwar in einem möglichst frühen Stadium und nicht erst, wenn das Tier uns auf drei Beinen entgegen gehumpelt kommt. Lahmheiten können nicht nur durch Unfälle ausgelöst werden, auch organische Erkrankungen können die Funktionalität des Bewegungsapparats negativ beeinflussen und zu spät erkannt zu Unreitbarkeit oder Schlimmerem führen. Dem Naturell eines Fluchttieres entsprechend leiden Pferde stumm und versuchen, angetrieben durch die genetisch verankerte Urangst, Fressfeinden zum Opfer zu fallen, so lange wie möglich, körperliche Probleme zu kompensieren. Umso mehr sind wir als Besitzer in der Verantwortung, auf die Befindlichkeiten unseres Pferdes zu achten. Neben der fehlenden Möglichkeit zur verbalen Schmerzäußerung lässt das Pferd auch ein Organ vermissen: die Galle. Das hat zur Folge, dass zuviel aufgenommene oder qualitativ minderwertige Nahrung den Körper des Pferdes nur über den Darm verlassen kann. Wurden giftige Pflanzen oder nicht eingeweichte Rübenschnitzel, die erst im Magen aufquellen gefressen, sind Probleme fast schon vorprogrammiert.
Der Magen
Die Symptome bei Magenkrankheiten sind oft sehr vielschichtig und unspezifisch, weshalb sie oft längere Zeit im Verborgenen bleiben. Wenn die Symptome so deutlich werden, dass sie nicht mehr übersehen werden können, ist das Pferd dann bereits seit Wochen oder Monaten erkrankt. Erste Symptome können z.B. Zähneknirschen oder Leerkauen sein. Viele Pferde zeigen lediglich Rittigkeitsprobleme oder diffuse Leistungseinbußen bei gut erhaltenem Appetit und gutem körperlichem Zustand. Das Zähneknirschen allein kann sich schon schädigend auf den gesamten Bewegungsapparat auswirken, da durch das Anspannen der Kiefermuskulatur Blockaden und Muskelverspannungen im gesamten Körper entstehen können. Die Magenschleimhaut kann so stark geschädigt werden, dass sich Geschwüre bilden und es zu Blutungen kommt. Eine unentdeckte, zu spät behandelte Gastritis kann schnell chronisch werden, was eine Belastbarkeit als Reitpferd nur bedingt zulässt.
Die Anatomie der Pferde sieht das Tragen von Lasten nicht vor

Die Haut
Als flächenmäßig größtes Organ ist sie durch ihre Aufgaben und Funktionen essentiell. Die Haut übernimmt eine wichtige Rolle in den Stoffwechselvorgängen und besitzt erstaunliche immunologische Fähigkeiten. Als Sinnesorgan dient sie der Reizaufnahme. Außenreize werden über Nerven und spezielle Tasthaare aufgenommen und an das Gehirn weitergeleitet. Ist die Weiterleitung an das Zentrale Nervensystem und somit zum Gehirn gestört, kann es zu schlimmstenfalls zu einer Ataxie kommen. Wegen der Gefahr des Stürzens durch Koordinationsstörungen sollte das Pferd nicht mehr geritten werden. Die Haut ist auch an der Produktion von Haaren, Kastanien und Hufen beteiligt. Schlechtes Hufwachstum ist häufig mit einer Störung des Stoffwechsels gekoppelt. Diese Störungen resultieren häufig aus einer Mangelernährung des Pferdes. Beeinträchtigungen des Hufwachstums wirken sich negativ auf den Bewegungsapparat aus. Hat das Pferd z.B. Schmerzen beim Auftreten kommt es unterm Reiter schnell zu Blockaden, muskulären Verspannungen, Taktstörungen oder Arthrosen.
Das Herz
Leichte Herzerkrankungen kann der Organismus eines sonst gesunden Pferdes lange unbemerkt kompensieren. Die Probleme werden selbstständig durch eine Erhöhung des Herzschlags oder einer Senkung des Blutdrucks ausgeglichen so dass erstmal keine Leistungseinbußen oder andere Indizien auf ein Problem hindeuten. Erst wenn die körpereigenen Maßnahmen nichts mehr nützen, merkt man, dass es dem Pferd nicht gut geht. Leider ist das Herz dann oft schon so angegriffen, dass eine Therapie nur noch dahingehend hilft, dass die Krankheit nicht weiter voranschreitet. Im Falle einer Erkrankung schlägt das Pferdeherz meist schneller und flacher. Daran passt sich oft auch die Atmung an. Es kommt zu Kurzatmigkeit, die Kondition nimmt ab. Ein krankes Herz erreicht seinen Ruhezustand nach einer Belastung nicht so schnell wieder wie ein gesundes. Auch Herztöne und der Herzrhythmus verändern sich in vielen Fällen. In fortgeschrittenem Stadium können sich Ödeme (Flüssigkeitsansammlungen) im Bereich von Unterbrust, bzw. Unterbauch, manchmal sogar in der Lunge bilden. Kommt es zu einem Sauerstoffmangel im Blut sind Kreislauf- und Durchblutungsstörungen mögliche Folgen, die sich natürlich auch ungünstig auf den Bewegungsapparat des Pferdes auswirken, beispielsweise weil die Muskulatur durch Übersäuerung stark schmerzt.
Die Leber
Ein schwankendes Gangbild, allgemeine Schwäche, ständige Müdigkeit und Abmagerung u können Hinweise auf eine Lebererkrankung sein. Sie kann durch Mangel-, oder Unterernährung oder chronischen Durchfall ausgelöst werden. Bei schweren Leberschädigungen kann es zum Leber-Gehirn-Syndrom kommen, welches sich durch Ataxie, Senken des Kopfes, Anlehnung an Wänden, Kontraktion der Gesichtsmuskeln, und Desorientiertheit im Allgemeinen zeigen kann. Hochakute Leberentzündungen können innerhalb kürzester Zeit zu einer gelben Leberdystrophie, zum Zusammenbruch der Leberfunktion und damit unweigerlich zum Tode führen. Die Leber ist jedoch ein Organ, dass sich selbst bei starker Schädigung wieder regenerieren kann, was aber eine lange Genesungszeit voraussetzt.
"Erkrankungen der Leber und der Niere haben haben eine Auswirkung auf den Bewegungsapparat"
— Jessika Kähler
Die Nieren
Wenn die Nieren beim Pferd ihre Funktion einschränken fällt das lange Zeit nicht auf, da die Symptome erst einmal ausbleiben. Zu den Symptomen von Nierenkrankheiten gehören, dass zunächst nur dass das Pferd verhältnismäßig oft versucht, Urin abzusetzen, wobei aber die Harnmenge verringert ist und der Urin eine dunklere Farbe hat als sonst. Im schlimmsten Fall ist das Pferd gar nicht mehr in der Lage, Urin abzusetzen und die Nieren versagen. Weitere Symptome können vorwiegend am Unterbauch auftretende Ödeme, stumpfes Fell, sowie starke Abmagerung sein. Die Pferde können und wollen nicht mehr arbeiten und geraten in eine Art Depression, in der keine Leistung mehr erbracht werden kann. Nierenversagen ist in der Regel die Folge von Blut- oder Wasserverlusten. Aber auch Kreislaufversagen oder Herzbeschwerden können auslösend für die Störungen sein.
Eine andere Form der Erkrankung der Nieren ist die Nierenentzündung (Nephritis), die Ausgangspunkt für eine chronische Niereninsuffizienz werden kann. Sie geht einher mit Abmagerung, Schwäche und Ödemen, sowie Fieber. Bei den Nieren ist eine Regeneration nahezu aussichtslos.
Fazit
Erkrankungen der Leber und der Niere haben vielleicht auf den ersten Blick keine direkte Auswirkung auf den Bewegungsapparat. Sie sind allerdings nach der Genesung reiterlich meistens nicht mehr voll belastbar. Die größte Problematik bei Organerkrankungen ist aber, dass sie häufig verhältnismäßig spät erkannt werden. Je eher die Diagnose gestellt wird, desto wahrscheinlicher ist die vollständige Genesung.
Quellenangaben:
https://www.tierheilkundezentrum.de/pferdekrankheiten/der-bewegungsapparat-lahmheitenunserer-pferde/
https://www.pferd-aktuell.de/pferdenah/2017/ausgabe-05-2017/themen/die-biomechanik-des-pferdes-wie-funktioniert-der-bewegungsapparat
https://www.dr-susanne-weyrauch.de/gesundheit