Fleecebandagen: Schnickschnack, oder sinvolle Hilfe?
Antworten auf die Frage, ob es Sinn hat, Pferde zu bandagieren kursieren vermutlich in jedem Reitstall wie Sand am Meer.
Frau A bandagiert ihren Vierbeiner jeden Tag für die Nacht in der Box, damit die Sehnen gewärmt werden und sie demzufolge Zeit beim Warmreiten sparen kann.
Das Pferd von Frau B. trägt nur während der Fahrt zum Turnier auf dem Hänger Bandagen, was von Herrn C. belächelt wird. Da ihm das Bandagieren zu zeitaufwändig ist, nutzt er Transportgamaschen. Zum Reiten nutzt er aber regelmäßig Bandagen, weil sein Pferd relativ weich gefesselt ist. Hier hätten die Bandagen seiner Meinung nach eine stützende Funktion.
Frau D. hat mal irgendwo gehört, dass man Pferde, die zu angelaufenen Beinen oder Gallen neigen, nur über Nacht bandagieren muss, um dem Problem beizukommen.
E. und F. hingegen haben zu jeder ihrer 10 Schabracken passende Bandagen, damit die Ponys wie die Mädels selbst jeden Tag ein neues, farblich aufeinander abgestimmtes Outfit tragen können.
Aber wessen Sichtweise ist nun richtig?
Gibt es diesbezüglich überhaupt ein Richtig oder Falsch?
Ein Blick in das Sortiment eines jeden Reitsportgeschäftes führt erstmal zu der Erkenntnis, dass es Bandagen in großer Farbvielfalt, in verschiedenen Längen und Materialien gibt.
Bandagen aus Fleece sind hier die Verkaufsschlager. Sie sind preisgünstig, relativ leicht anzubringen und gut zu reinigen.
Fleece dehnt sich zwar nur bedingt, hat aber den Vorteil, dass man nicht so schnell Gefahr läuft, die Bandagen zu fest anzulegen, was den Lymphfluss im Pferdebein beeinträchtigen und somit gesundheitlichen Problemen führen könnte.
Elastikbandagen behindern zu straff gewickelt nicht nur den Lymphfluss, sondern komprimieren auch die Blutgefäße im Bein, so dass es gerade für Unerfahrene schwer ist, einzuschätzen, ob die Bandage gut sitzt.
Elastikbandagen behindern zu straff gewickelt nicht nur den Lymphfluss, sondern komprimieren auch die Blutgefäße im Bein

Das Verwenden von Bandagier–Unterlagen kann die Gefahr eines Blut-/Lymphstaus ansatzweise vermindern
Es gibt sie in zwei verschiedenen Größen, passend für Vorderbzw.
Hinterbeine.Bewährt haben sich hier Bandagier-Unterlagen aus Baumwolle. Sie sind flexibel einsetzbar und eignen sich durch ihre hohe Saugkraft unter anderem auch für Angussverbände, Salben oder kühlende/wärmende Lotionen.Sie sind also nicht nur im Training sondern auch z.B. bei der Behandlung von Verletzungen einsetzbar.
Bandagier–Unterlagen aus Filz werden sehr gute wärmende Eigenschaften, sowie eine optimale Stoßdämpfung zugesprochen.
Bandagier-Unterlagen aus Neopren : Sie sind sehr einfach zu reinigen und bieten eine sehr gute Stoßdämpfung. Sie verfügen meistens auch über Lüftungslöcher, die einen Hitzestau verhindern sollen. Neopren-Unterlagen sind eher im hochpreisigen Segment zu finden.
Last but not least...
…sollten auch Bandagier-Kissen erwähnt werden. Das sind dick gefüllte Unterlagen, die als Stallbandagen oder für den Transport zum Einsatz kommen.
Für Pferde, die nicht verladesicher sind und zu Nervosität neigen, sind sie nicht geeignet.
Eine Bandage, die sich z. B. während der Fahrt halb gelöst hat, kann beim Abladen zu schweren Unfällen führen!
Das Gleiche gilt übrigens auch für Ausritte und Spaziergänge mit dem Pferd im Gelände.
Wenn sich hier z.B. eine Bandage löst, wird es schwierig, diese wieder zu fixieren, vor allem, wenn weit und breit niemand ist, der das Pferd festhalten könnte.
Unabhängig von der Wahl des Materials ist es wichtig, dass das zu bandagierende Bein gut geputzt wird, um Scheuerstellen durch Stroh, Matsch oder ähnliches zu vermeiden.
Das gilt natürlich auch für die Bandagen und Unterlagen selbst.
Die Unterlage muss faltenfrei am Bein anliegen und die Bandage darf, wie bereits erwähnt, weder zu locker noch zu fest gewickelt werden.
Anfänger sollten sich das Richtige Bandagieren am besten vorab von einer erfahrenen Person zeigen lassen!
Die Scheuerstellen sind nämlich noch eines der kleineren Probleme, die auftreten können, wenn Bandagen unsachgemäß angelegt werden.
Unschöner wird es, wenn die Haut beispielsweise durch kleine Steinchen, die unentdeckt unter der Bandage verblieben sind, verletzt wird. Das Eindringen des Schmutzes kann zu schweren Entzündungen bis hin zu einer Blutvergiftung führen.
Die Haut dient dem Pferd als Sinnesorgan, da sie in Verbindung mit speziellen Tasthaaren dazu befähigt ist, Außenreize (z.B. Schmerz, Wärme, Kälte) wahrzunehmen und diese über das zentrale Nervensystem an das Gehirn weiterzuleiten.
Sind die Beine einbandagiert, ist diese Wahrnehmung gestört, was unter anderem zu verminderter Trittsicherheit des Pferdes führen kann.
Ein stützender Effekt durch Bandagen ist allerdings auch nicht gegeben.
Zudem ist in den Extremitäten des Pferdes die Haut mit den oberflächlich gelegenen Lymphgefäßen und Venen funktionell miteinander verknüpft.
Da Lymph- und Venensystem in Abhängigkeit zueinander arbeiten, wird bei zu eng bandagierten Beinen der Blut- und der Lymphfluss stark beeinträchtigt, bzw. komplett unterbrochen. Im schlimmsten Fall ist es dem Organismus nicht mehr möglich, den Rückfluss des Blutes zum Herzen zu regulieren.
Ein weiteres Problem, das durch Bandagen ausgelöst ist, ist die Erwärmung des Beins unter der Bandage. In wissenschaftlichen Versuchen wurden dort Temperaturen von ca. 35 Grad gemessen, was rund 10 Grad über dem Richtwert liegt.
Die Hitze ist den betroffenen Pferden nicht nur sehr unangenehm, sie kann unter anderem Kreislaufprobleme verursachen und zu Funktionsstörungen der Sehnen führen!
Sollte eine medizinische Indikation für das Tragen einer Bandage vorliegen, wird der behandelnde Tierarzt darauf hinweisen und vermutlich einen extra für Pferde hergestellten Kompressionsstrumpf empfehlen.
Das Bandagieren über Nacht lässt das Bein zwar direkt nach dem Abwickeln dünn erscheinen. Es läuft aber sofort wieder an, wenn das Pferd nicht bewegt wird.
Untersuchungen, bei denen Pferden ein Kontrastmittel gespritzt und anschließend geröngt wurde, haben ergeben, dass der Lymphfluss beim stehenden, bandagierten Pferd sogar völlig zum Erliegen kommt. Leider ist es bisher technisch noch nicht möglich, diese Messungen in der Bewegung durchzuführen. Man kann aber fest davon ausgehen, dass der Transport von Blut, bzw Lymphflüssigkeit im bandagierten Bein behindert wird.
"Bei fehlerhafter Anwendung können durch Bandagen irreversible Schäden verursacht werden."
— Jessika Kähler
Fazit
Die eingangs genannten Theorien über den Sinn, Pferde zu bandagieren, sind also fast alle zu widerlegen.
Frau A. tut weder sich, noch ihrem Pferd einen Gefallen, wenn sie es allabendlich bandagiert.
Herr C. sollte die Zeit, die er für das Bandagieren seines weich gefesselten Pferdes aufwendet, eventuell lieber in die Lektüre eines Fachbuches über Anatomie bei Pferden investieren und dieses Buch auch einmal Frau D. zur Verfügung stellen, damit sie die falsche Information, die sie über das Bandagieren hatte, mit der richtigen überschreiben kann.
Bei fehlerhafter Anwendung können durch Bandagen irreversible Schäden verursacht werden. Sie haben weder eine stützende Funktion, noch schützen sie das Pferdebein vor Verletzungen.
Bandagen sollten wegen der Unfallgefahr weder bei Ausritten, noch beim Transport auf dem Hänger zum Einsatz kommen!
Unkritisch ist der Einsatz der Bandagen aus “Modezwecken” oder für Fotos zu sehen, wenn dafür kein langes Stehen des Pferdes erforderlich ist.
Auch hier sollten die Bandagen fachgerecht gewickelt sein und sofort nach dem Reiten oder der Foto-Session entfernt werden, um den ungehinderten Lymphfluss im Pferdebein zu gewährleisten.
Quellenangaben:
https://www.feinehilfen.com/bandagen-must-have-oder-gefaehrlicher-unsinn/
https://www.pferd-aktuell.de/pferdenah/2015/ausgabe-03-2015/themen/bandagen-und-gamaschen
https://kultreiter.de/gamaschen-fuer-pferde/