Meine erste große Liebe hieß Max
Ich habe ihn auf dem Reiterhof kennengelernt, wo ich meine ersten Reitstunden bekam. Max war ein Araber-Mix, Schimmel, freundlich und lieb.
Irgendwann kam der glückliche Tag, an dem Max mir für die Reitstunde zugeteilt worden war.
Ich bekam die Order, der Reitlehrerin nach dem Putzen Bescheid zu geben, damit sie mir helfen könne, Max zu satteln. Während ich ihn putzte, war Max das nette Pony, was ich kannte, aber als die Reitlehrerin mit seinem Sattel und einer weiteren Helferin im Schlepptau anrückte, stand dem lieben Max die blanke Panik ins Gesicht geschrieben.
Der Sattel wurde unter Protest des Ponys aufgelegt, aber nicht angegurtet. Das musste nach und nach während des Schrittführens in der Reithalle erledigt werden. Obwohl der Sattelgurt immer nur jeweils ein Loch fester gemacht wurde, war Max sehr unleidlich, versuchte die Führerin zu beißen und drohte der Reitlehrerin, die mit dem Gurt beschäftigt war mit dem Hinterbein.
Ich fand das alles sehr beängstigend und habe die Reitlehrerin natürlich gefragt, warum der Max sich so benimmt.
An den genauen Wortlaut ihrer Antwort erinnere ich mich nicht mehr. Sinngemäß war die Begründung aber, dass Max den Sattel halt nicht mag.
Das habe ich mit meinen damals 7-8 Jahren erstmal so hingenommen. Als der Sattel irgendwann saß, war das Aufsteigen kein Problem mehr. Max hatte sich vermutlich mangels Alternative erstmal in sein Schicksal gefügt, mich dann aber beim Versuch des Angaloppierens abgebuckelt. Danach hatte ich Angst vor ihm und war froh, ihn nicht mehr reiten zu müssen und das Thema war vorerst für mich erledigt.
Vergessen habe und werde ich diesen Vorfall aber sicherlich nie.
Das war das erste Mal, dass ich mit dem Thema Gurtzwang konfrontiert wurde, auch wenn mir das damals nicht bewusst war.
Inzwischen sind einige Jahrzehnte ins Land gegangen, in denen erfreulicherweise viel Positives passiert ist, den Umgang mit dem Pferd allgemein und Pferdeschonendes Reiten betreffend. Es gibt eine Menge Ausrüstungsgegenstände für Pferde, die nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen hinsichtlich Anatomie und Biomechanik entwickelt wurden, aber das Problem des Gurt- und Sattelzwangs tritt trotzdem noch immer häufig und in ganz unterschiedlichen Ausprägungen auf.
Das legt die Vermutung nahe, dass es unterschiedliche Gründe für das Verhalten gibt.
Ich wage zu behaupten, dass Widersetzlichkeit in den seltensten Fällen der alleinige Auslöser für den Unmut beim Satteln ist. Auf mögliche Ursachen gehe ich später ein. Vorab möchte ich erst einmal einige Verhaltensweisen nennen, die auf Gurtzwang hindeuten können.
Das erste Mal, dass ich mit dem Thema Gurtzwang konfrontiert wurde, war mir damals nicht bewusst, dass es existiert

Anzeichen, die auf Gurtzwang hindeuten
Anfangs kann es sein, dass nur die Nüstern gekräuselt werden, wenn der Gurt wirklich angezogen wird. Das kann sich schnell ausweiten in Kopfschlagen, in die Luft oder nach dem Sattel schnappen, sobald der Sattel in Sichtweite kommt.
Noch deutlicher wird die Abwehr aber, wenn nach dem Menschen geschnappt oder getreten wird. Manche Pferde zerstören etliche Halfter, weil sie sich am Anbinder nach hinten werfen, wobei es zu Verletzungen im Genick und an der Halswirbelsäule kommen kann.
Einige Pferde schmeißen sich hin, wenn sie die Möglichkeit dazu haben.
Manche Pferde reagieren übrigens nicht jedes Mal gleich. Wenn ein Pferd sich mehrfach hinschmeißt beim Satteln, Angurten, beim Aufsteigen oder unterm Reiter und dabei eventuell noch unkoordiniert wirkt, sollte man nicht zögern, den Tierarzt zu konsultieren, auch wenn Wochen zwischen den Vorfällen liegen.
Falls eine Ataxie oder Nervenquetschung diagnostiziert wird, die durch den Sattel oder das Reitergewicht ausgelöst wird, sollte man gemeinsam mit dem Tierarzt überlegen, ob das Pferd überhaupt reitbar ist, oder ob die Sturzgefahr zu groß ist.
Mögliche Auslöser für Gurtzwang
Wenn ein Pferd plötzlich starkes Abwehrverhalten zeigt, obwohl es vorher nie Probleme beim Gurten gab und es auch keine einschneidenden Veränderungen im Reitstil oder bei der Ausrüstung gab, sollte eine medizinische Ursache ausgeschlossen werden.
Es kommen verschiedene Erkrankungen in frage, die der Auslöser sein könnten.
Magenprobleme sind eine sehr häufige Ursache.
Bei Stuten können die Schmerzen aus den Unterleibsorganen kommen. Von einfachen Beschwerden in der Rosse, bis hin zu Tumorbildung im Bauchraum oder an den Unterleibsorganen ist alles möglich.
Rückenbeschwerden können auch ein Auslöser für Gurtzwang sein. Veränderungen an den Dornfortsätzen im Bereich der Sattellage oder im Brustbein wären hier als Beispiele zu nennen und sollten unbedingt ausgeschlossen werden. Wenn das Pferd beim Auflegen des Sattels den Rücken wegdrückt, oder einsackt, kann das Problem vermutlich zwischen Widerrist und Kreuzdarmbein lokalisiert werden. Auch Veränderungen an der Halswirbelsäule könnten ein Grund sein. Wenn man Glück hat, sind es “nur” Blockaden, die von einem Osteopathen oder Chiropraktiker behoben werden können. Je nach Ausprägung ist die Nutzung als Reitpferd mitunter schwierig bis unmöglich. Häufig ist das Nackenband dann auch betroffen und man kann froh sein, wenn die Schmerzen so weit abzustellen sind, dass man dem Pferd noch ein paar schöne Jahre als Beistellpferd schenken kann.
"Es kommen verschiedene Erkrankungen in frage, die der Auslöser sein könnten."
— Jessika Kähler
Fazit
Bevor es wieder ans Satteln geht, sollte sicher sein, dass das Pferd absolut schmerzfrei ist.
Pferde haben ein gutes Schmerzgedächtnis und um den Gurtzwang zu beheben, sollte man den unangenehmen Erinnerungen aus der Vergangenheit am besten angenehme folgen lassen, um kein Widersetzlichkeitsproblem zu kultivieren. Aber mit der nötigen Ruhe und ohne Zeitdruck sollte das gut funktionieren.
Wenn der Tierarzt körperliche Probleme ausschließen kann, lohnt es sich, die Ausrüstung zu überprüfen.
Ein unpassender Sattel, der durch Aufbau der Rückenmuskulatur drückt kann, sollte dringend vom Sattler überarbeitet werden. Gerade bei jungen Pferden verändert sich die Muskulatur beim Anreiten in kurzen Abständen sehr stark. Der Sattel sollte regelmäßig auf Passgenauigkeit vom Fachmann überprüft und angepasst werden.
Eine starke Gewichtszunahme des Reiters könnte auch dafür sorgen, dass der Sattel drückt und eine Anpassung notwendig macht.
Der am nächsten liegende Faktor, der die Problematik auslösen könnte, ist aber der Gurt selbst oder der Gurtschoner. Hier ergibt es Sinn, ein wenig mit verschiedenen Modellen herumzuexperimentieren, um herauszufinden, welcher dem edlen Ross am meisten zusagt.
Vielleicht drücken die Schnallen oder die Haut wird bei bestimmten Bewegungen unangenehm eingeklemmt.
Natürlich wird es auch einige wenige Pferde geben, die das Satteln und Angurten einfach blöd finden und mit Unmut reagieren. In den meisten Fällen liegen aber noch andere Ursachen vor. Wenn die beseitigt sind, kann man anfangen, daran zu arbeiten, dass auch die Symptome wieder verschwinden.
Anfangs kann man z.B. versuchen, nur eine Satteldecke aufzulegen ohne anzugurten und dann in kleinen Schritten Tag für Tag weiter mit viel Lob die Akzeptanz steigern. Die Zauberworte heißen Ruhe und Geduld.
Quellenangaben:
https://www.wehorse.com/de/blog/sattelgurt-gurtdruck-sattel/
https://tiereakademie.de/tipps-bei-gurtzwang/
https://www.barnboox.de/pferdewissen/haltung/ausruestung/welcher-anatomische-sattelgurtfuerwelches-pferd/